Verhaltenstherapie

Hilfe zur Selbsthilfe

Verhaltenstherapie

Mit Verhaltenstherapie (VT) werden verschiedene Methodenansätze der Psychotherapie bezeichnet, die auf der Lerntheorie basieren. Sie unterscheiden sich in den  theoretischen Annahmen und praktischen Methoden. Einig sind sie darüber dass das Modell der klassischen Konditionierung  (nach Pawlow um 1900) zentral für die Abläufe in der menschlichen Psyche ist.

(Der Psychologe Watson wollte  1917 die Ergebnisse der Biologie auf die Psychologie übertragen: er hat Experimente mit dem kleinen Albrecht gemacht: jedesmal wenn der kleine Albrecht ein Kuscheltier berührte, erklang hinter ihm ein lauter Gong. Daraufhin hat das Kind Angst vor bestimmten Tieren entwickelt. Es folgten viele Konditionierungsexperimente mit Tieren, die auch auf das menschliche Verhalten übertragen werden konnten.)

Die VT bietet  Hilfe zur Selbsthilfe für den Klienten. Der  Klient soll durch eine Verhaltensanalyse Einsicht in Ursachen und Entstehungsgeschichte seiner Probleme erhalten. Durch Selbstreflexion und gezielte Verhaltensübungen erlernt der Klient alternative Handlungsoptionen in den von ihm kritisch benannten Situationen. Durch die Methoden der VT soll der Klient also wieder Selbstwirksam werden und angemessenere Denk- und Verhaltensweisen erlernen.

Voraussetzung für die VT ist, dass der Klient eine hohe Eigenmotivation mitbringt. Auch muss er von sich aus bereit sein, sich seinen Problemen/ Themen zu stellen und an diesen aktiv arbeiten wollen.

Im Grunde meint die VT, dass aktuelle Leiden und problematisches Verhalten auf eingefahrenen Vorstellungen und Reaktionsmustern beruhen. Werden diese bewusst gemacht, können sie auch die Verwendung von Verhaltens- und Lernprinzipien verändert werden.

Gleichzeitig lehnt die VT genetische Unterschiede als Ursachen von Störungen nicht ab. Anders als die Psychoanalyse, setzt sie diese aber auch nicht voraus. Die besonderen Bedingungen eines Individuums werden berücksichtigt:  so zum Beispiel die Vulnerabilitäts-Stress-Modelle.

Der Fokus der Betrachtung ist weniger auf die Vergangenheit gerichtet, denn auf das gegenwärtige Erleben der und das Verhalten in problematischen Situationen gerichtet.

In kleinen Schritten und Zielsetzungen erarbeiten Therapeut und Patient gemeinsam Veränderungsmodelle, meist in Form von überschaubaren Alltagsaufgaben.

Die Arbeit ist ziel- und lösungsorientiert. In kleinen Schritten und Zielsetzungen erarbeiten Therapeut und Patient gemeinsam Veränderungsmodelle, meist in Form von überschaubaren Alltagsaufgaben die sowohl offen (in der Sitzung oder als Hausaufgaben) oder auch verdeckt, d.h. nur in der Vorstellung der Patienten/Klienten durchgeführt werden können.

Klassische therapeutische Techniken der Verhaltenstherapie sind Konfrontation mit beispielsweise angstauslösenden Reizen (z.B. Exposition, systematische Desensibilisierung), Verstärkung („Belohnung“) von erwünschten und Löschung („Nichtbeachtung“) unerwünschten Verhaltens.

Ablauf der Verhaltenstherapie

  • Verhaltens- und Problemanalyse
  • (z.B. mit der  Verhaltensanalyse nach Frederick Kanfer dem SORKC-Modell)
  • Einbeziehung von Reiz-Reaktions-Zusammenhängen ( Gefühle, Gedanken und körperliche Prozesse)
    Einflüsse des erweiterten Umfelds : Familienangehörigen, Bezugspersonen, Arbeitskollegen, Freunde und Bekannten
  • Zielanalyse um Therapieziele gemeinsam mit dem Patienten festzulegen.
    Diese Ziele sollen realistisch und auch nach der Therapie noch umsetzbar sein
  • Therapievertrag: welche Aufgaben hat wer, während der Therapie?
  • Übergeordnetes Prinzip ist dabei die Hilfe zur Selbsthilfe.
  • Aufbau einer therapeutischen Allianz von Veränderungsmotivation.
  • Evaluationsprozess: die durchgeführten Methoden werden auf Erfolg überprüft.

Die therapeutischen Basisvariablen aus anderen Verfahren können implementiert werden,

z.B.: Gesprächspsychotherapie: Echtheit, Empathie, uneingeschränktes Akzeptieren des Klienten, bedingungslose Wertschätzung

Kognitive Therapie: komplementäre Beziehungsgestaltung (Klaus Grawe).

Ebenso wie Elemente aus der Gestalttherapie, Psychodrama, systemisches Denken…

Die Analyse- und Interventionsschritte der VT bedingen sich gegenseitig. Deshalb werden sie meist nicht strikt voneinander getrennt durchgeführt. Sie durchlaufen einen ständigen Abgleich und Feedbackprozess.

Einsatz der Verhaltenstherapie

Der Einsatz dieser Methoden ist vielfältig. Typische Indikationen sind:

  • Abhängigkeiten von psychotropen Substanzen (z. B. Alkoholabhängigkeit)
  • (Teil-) Remittierten psychotischen Erkrankungen (u. a. Schizophrenie) und wahnhaften Störungen
  • Affektiven Störungen (z. B. Depression)
  • Angststörungen (z. B. Agoraphobie, Spezifische Phobie (Liste), Soziale Phobie, Panikstörung, Zwangsstörung)
  • Belastungsstörungen (z. B. Posttraumatische Belastungsstörung)
  • Dissoziativen, Konversions- und somatoformen Störungen
  • Essstörungen (z. B. Anorexia nervosa, Bulimia nervosa)
  • Persönlichkeitsstörungen (z. B. Borderline-Persönlichkeitsstörung)
  • psychosomatischen Erkrankungen (z. B. Spannungskopfschmerz, Bluthochdruck)

Verhaltenstherapie
Therapieablauf bei Angst und Phobie

Vermittlung des Erklärungsmodells Ablauf des Therapierationals Durchführung kognitiver oder behavioraler Veränderungen
Aufmerksamkeit verstärkt Symptome Umkehrung der Aufmerksamkeit Übungen zu externer und interner Aufmerksamkeitsumlenkung, Genussübungen
Stress verstärkt körperliche Symptome Stress vermindern Entspannungstraining Stressoren erkennen und verändern
Bedrohliche, krankheitsbezogene, automatische Interpretationen sind zur Gewohnheit geworden Erkennen der Interpretationen

Verändern der  Bedeutungsgebung

Tagebücher

Kognitive Umstrukturierung

Sicherheitssuchendes und vermeidendes Verhalten vermindert Angst kurzfristig, hält die Problematik langfristig aufrecht Sicherheitssuchendes Verhalten unterlassen oder reduzieren Impulsen mittels kognitiver Umstrukturierung, Aufmerksamkeitsumlenkungen

Exposition mit Verhinderung des sicherheitssuchenden Verhaltens

Ängste haben mehr Raum bei negativen Gefühlen, fehlenden positiven Erlebnissen Positive Erlebnisse bewusst machen und steigern Planung, Durchführung von positiven Erlebnissen, Tagebuch

Verfahren der Verhaltenstherapie

Heutzutage werden über 50 verhaltenstherapeutische Einzelverfahren eingesetzt:  Konfrontationsverfahrenvorwiegend bei Phobien, Panik– und Zwangsstörungen

  • Systematische Desensibilisierung
  • Flooding (Reizüberflutung): Unmittelbare Konfrontation mit Stimuli in höchster Intensität
  • Aversionstherapie
  • Reaktionsverhinderung
  • Screen-Technik
  • Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) nach Francine Shapiro
  • Extinktions (Habituations)-Training (graduierte Löschung)
  • Implosion (aus tiefenpsychologischer Tradition): Konfrontation mit Angststimuli in der Vorstellung
  • Angstbewältigungstraining: Kombination verschiedener Expositions-Verfahren mit anderen Bewältigungsstrategien

Operante Verfahren

Kognitive Ansätze

Der Mensch bewertet, interpretiert und transformiert aktiv Informationen (Umgebungsreize) und strukturiert die subjektiven Erfahrungen. Die Bewertung einer Erfahrung bestimmt dann das Verhalten in ähnlicher Situation.Verhaltensprobleme entstehen durch „falsches Denken“ (Daniel Kahnemann):  falscher Annahmen, Verzerrungen, unvollständiger Schlüsse, inadäquater Selbstinstruktionen und unzureichender Problemlösefähigkeiten.

  • Kognitive Therapie nach Aaron T. Beck
  • Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT), vormals verkürzt Rational-Emotive Therapie (RET) genannt, nach Albert Ellis
  • Ärgermanagement nach Raymond W. Novaco
  • Stressmanagement bzw. Stressimpfungstraining nach Donald Meichenbaum
  • Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion nach Jon Kabat-Zinn
  • Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) nach Steven C. Hayes
  • Kognitive Umstrukturierung
  • Schematherapie nach Jeffrey E. Young

Weiterführende Verweise

Detailliertere Informationen zur Borderline-Persönlichkeitsstörung finden Sie bei Interesse innerhalb des persönlichen (Erfahrungs-) Blog von Andreas Humbert https://www.meinwegausderangst.de/borderline-syndrom/.